[ Text: kabinett-online.de ]
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Diesem Sprichwort haben sich Forschende um Prof. Dr. David Wuepper von der Arbeitsgruppe Land Economics am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn bedient, um zu untersuchen, welchen Einfluss nationale Politiken auf den Waldbestand haben. Ihre Idee: Anhand von Satellitenbildern den Baumbestand an Ländergrenzen auswerten. „Ökologische Räume sind über Ländergrenzen hinweg oftmals weitgehend ähnlich“, erklärt David Wüpper, der erst im April 2023 auf eine neue Professur im Exzellenzcluster PhenoRob an die Universität Bonn berufen wurde. „Steht auf der einen Seite der Grenze ein gesunder Wald, auf der anderen aber – überspitzt ausgedrückt – Kahlschlag, ist das oftmals auf die unterschiedlichen Politiken der beiden Länder zurückzuführen.“
Earthenginepartners Global Forest
Zusammen mit ihren Forschungspartnern hat Professor Wueppers Arbeitsgruppe zunächst in großen Mengen Daten gesammelt. Das Team der ETH Zürich wertete für einen Zeitraum von 20 Jahren große Mengen Satellitendaten von Wäldern in Grenzgebieten rund um den Globus aus, um festzuhalten, wie sich der Baumbestand und -zustand verändert hat. Wueppers Forschungsgruppe arbeitete sich gleichzeitig durch die Waldschutz-Politiken der Länder: Neben Gesetzen zum Waldschutz erfassten sie auch Programme, die indirekt Einfluss auf den Baumbestand haben. Zum Beispiel wenn Landeigner finanzielle Anreize erhalten, wenn sie auf ihrem Land Bäume schützen.
Vorher-Nachher-Vergleich
Für die Auswertung schauten die Forschenden zunächst, ob sich die Grenzregionen veränderten: Hat der Baumbestand zu- oder abgenommen? Ist er gesünder oder kränker geworden? Auf den Satellitenbildern lassen sich an manchen Ländergrenzen Unterschiede leicht erkennen, beispielsweise an der chinesisch-russischen Grenze. Während Chinas Seite in sattem Grün daherkommt, ist die russische Seite in Orange und Rot getaucht – die Markierung für Waldverlust.
„Solche Veränderungen müssen aber nicht politikenspezifisch sein“, schränkt Wuepper ein. „Es gibt auch andere Gründe: Spielt die Waldnutzung für das Land eine ökonomische Rolle? Hat es überhaupt die Ressourcen und die Infrastruktur, um Wälder zu bewirtschaften?“ Da Politiken aber zu klar definierten Zeitpunkten beginnen, bietet sich ein Vorher-Nachher-Vergleich an: Lässt sich eine sprunghafte Veränderung nach dem Beginn einer neuen Politik beobachten, ist diese durch die Strategieänderung zu erklären. Beim Beispiel China und Russland ist dies einfach zu erkennen: Während Russland seine Wälder durchgängig ausbeutet, hat China seine Politik in Richtung Schutz geändert. „China hatte riesige Probleme mit Bodenerosion, die in Folge von Waldverlust entstanden sind. Als Gegenmaßnahme hat es schließlich riesige Programme gestartet, um den Wald aufzuforsten und damit die Erosion zu stoppen“, erklärt Wuepper. „Der Umschwung in der Politik lässt sich klar aus den Bildern ablesen.“
Das Ergebnis der Studie ist klar: Die wichtigste Erklärung für sprunghafte Veränderungen im Baumbestand an Ländergrenzen sind nationale Politiken. In der Wirksamkeit der Politiken gebe es jedoch extreme Variationen. „Die zwei wichtigsten Erklärungen für effektive Politiken ist ob die nationalen Politiken wirklich so umgesetzt werden wie es auf dem Papier steht, und wie strikt sie sind.“ Ein Beispiel dafür ist Brasilien: Nachdem im Amazonas am Regenwald jahrelang Raubbau betrieben wurde – vor allem auch durch illegale Abholzung – fing die Regierung an, streng gegenzusteuern: Durch Satellitenüberwachung und den Einsatz des Militärs bei Verstößen. Der Waldverlust konnte so stark reduziert werden. Unter Präsident Jair Bolsonaro wurden diese Regelungen wieder aufgeweicht, die erreichten Erfolge wieder verspielt.
Die Studie zeigt, wie wichtig nationale Regierungen für den Schutz unserer Wälder sind. „Das ist eine wichtige Erkenntnis“, fasst Wuepper die Ergebnisse zusammen. „In den vergangenen Jahren herrschte oftmals der Eindruck, dass nationale Regierungen weitgehend machtlos sind und auf nationale Politik zu setzen galt schon fast als altmodisch. Dabei bilden die nationale Politiken ein wichtiges Fundament des Waldschutzes, was natürlich andere Initiativen nicht ersetzt, aber entscheidend komplementiert.“
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www.kabinett-online.de | 21.12.2023