Universität Bonn

Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaftliche Fakultät

27. Januar 2025

Planet in Gefahr: IPBES-Bericht zeigt Möglichkeiten auf, wie sich der Artenschwund bremsen lässt Planet in Gefahr: IPBES-Bericht zeigt Möglichkeiten auf, wie sich der Artenschwund bremsen lässt


Der Artenschwund schreitet dramatisch voran. Welche Initiativen braucht es, um in dieser dramatischen Entwicklung gegenzusteuern? 156 führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 42 Ländern haben am Nexus-Bericht der Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) mitgewirkt. Das Werk, das in Windhoek in Namibia von den IPBES-Vertragsstaaten verabschiedet wurde, zeigt Möglichkeiten auf, wie der Rückgang der biologischen Vielfalt aufgehalten und mit anderen Zielen verknüpft werden kann. Junior-Professorin Dr. Lisa Freudenberger vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen „Individuals & Societies“ sowie „Sustainable Futures“ hat am Bericht mitgeschrieben. 

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Was ist die Kernaussage des Nexus-IPBES-Berichts?
Hier geht es um die Zusammenhänge zwischen den fünf Nexus-Elementen Biodiversität, Wasser, Klima, Nahrung und Gesundheit. Der Bericht gibt einen Überblick darüber, wie sich die Nexus-Elemente in den letzten 50 Jahren entwickelt haben und was wir in der Zukunft besser machen können. Ein Beispiel ist der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Maßnahmen, die nur dazu dienen, Emissionen zu senken, aber gleichzeitig negative Auswirkungen auf Biodiversität haben – zum Beispiel eine übertriebene Nutzung von Biomasse als Energiequelle – sind keine nachhaltigen Lösungen.

Wie geht es besser?
Es gibt diverse Möglichkeiten, Synergien zu nutzen, etwa durch naturbasierte Lösungen, die sowohl Biodiversität schützen als auch den Klimawandel und dessen Folgen bekämpfen helfen. Im Nexus Assessment haben wir berechnet, dass zwischen 10 und 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Kosten entstehen, weil wir Synergien nicht nutzen. Das entspricht ungefähr 25 Prozent des globalen Bruttoinlandproduktes. Wenn wir im Sinne des Nexus handeln möchten, sollten wir uns darauf konzentrieren, diese Kosten zu reduzieren.

Was war Ihr Part?
Von den insgesamt sieben Kapiteln im Bericht war ich als Leitautorin an Kapitel 2 und Kapitel 7 beteiligt. Verabschiedet wurde nun die Zusammenfassung des Berichts für Entscheidungsträger. Der Gesamtbericht wird im Laufe des Jahres veröffentlicht werden. 

Was sind Ihre Inhalte?
Kapitel 2 beschäftigt sich vor allem mit den Trends der Nexus-Elemente in den letzten 50 Jahren und zeigt, wie stark Biodiversität abgenommen hat, sich das Klima verändert hat, Wasser immer knapper wurde, einige Gesundheitsprobleme stark zugenommen haben und Menschen weiterhin von Hunger bedroht sind. Diese Krisen werden angetrieben durch direkte Treiber wie die Übernutzung von landwirtschaftlichen Flächen, das Abholzen von Wäldern, Verschmutzung von Luft, Böden und Umwelt, Klimawandel und Invasiven Arten. Und dies ist wiederum das Ergebnis einer Reihe von indirekten Treibern wie wirtschaftliches Wachstum, steigender Konsum, Kriege und vielem mehr. 

Und in Kapitel 7?
Darin geht es zum einen darum, Optionen für Entscheidungsträger zusammenzufassen und darzustellen, wo Wissenslücken sind. Außerdem haben wir untersucht, wie gut die aktuellen politischen Ansätze und Rahmenpläne – zum Beispiel die Ziele für nachhaltige Entwicklung – dazu geeignet sind, um die unterschiedlichen Nexus-Elemente zu integrieren und Verbesserungen vorzuschlagen. 

Wie lässt sich der Artenschwund am besten bremsen?
Im Bericht betonen wir, dass die unterschiedlichen Nexus-Elemente miteinander wechselwirken. Entscheidungen, die zum Beispiel Biodiversität schützen sollen ohne dabei zu berücksichtigen, dass es auch Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion geben könnte, werden zu Konflikten führen. Genauso sind aber auch Maßnahmen zum Ausbau der Nahrungsmittelproduktion nur dann sinnvoll, wenn Auswirkungen auf Biodiversität, Klima, Wasser und langfristige Folgen für die Gesundheit der Menschen mitberücksichtigt werden. 

Wo besteht Handlungsbedarf?
Diverse Studien und auch politische Texte befürworten diesen Ansatz, aber es fehlt an konkreten Umsetzungsmaßnahmen. Außerdem werden zu oft Entscheidungen für einzelne Sektoren getroffen. Im Bericht betonen wir, dass der Schutz von Biodiversität häufig multiple positive Effekte auf andere Nexus-Elemente hat und diese nachhaltig verbessern kann. Das bedeutet aber auch, dass Entscheidungen in anderen Nexus-Elementen Biodiversität nicht ausblenden dürfen. Das gilt auch für die direkten und indirekten Treiber von Biodiversitätsverlust - wie zum Beispiel Konsumverhalten.

Können Sie das bitte an einem Beispiel erläutern?
Es bedeutet, dass wir Maßnahmen immer darauf überprüfen sollten, wie sie unterschiedliche Nexus-Elemente beeinflussen. Wenn Sie sich zum Beispiel vorstellen, dass ein Gesetz erlassen wird, um die Wirtschaft durch Konsum anzukurbeln, dann werden hierfür mehr Ressourcen und mehr Energie benötigt, um die Waren herzustellen. Dies wiederum führt zu mehr Entwaldung und heizt den Klimawandel an. 

Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung auf dem Weg des Wandels?
Dass es Menschen sehr schwerfällt, Gewohnheiten, Wertvorstellungen und eingefahrene Systeme zu ändern. Eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit erfordert einerseits Verhaltensänderungen von jedem einzelnen, aber eben auch in der Art, wie wir wirtschaften und was wir als ein „gutes Leben“ definieren. Wenn wir Erfolg etwa darüber definieren, dass wir immer größere Autos fahren, in größeren Häusern wohnen, ständig in ferne Länder reisen und uns keine Gedanken über die Folgen machen, dann werden wir die Krisen nicht bewältigen können. 

Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Ziele erreicht werden?
Ich glaube nicht, dass wir die definierten Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 erreichen werden. Bei einigen Zielen haben wir sicherlich Verbesserungen erreicht, aber von anderen Zielen, insbesondere denen, die mit dem Schutz von Biodiversität zu tun haben, entfernen wir uns leider. Auch hinsichtlich des Globalen Rahmenabkommens zum Schutz der Biodiversität bin ich skeptisch, dass wir die Ziele für 2030 erreichen werden. Das liegt aber vor allem am kurzen Zeithorizont. Insgesamt bin ich tatsächlich vorsichtig optimistisch, dass wir die Ziele langfristig erreichen können. Das liegt aber vor allem daran, dass wir die Auswirkungen bereits jetzt massiv spüren und dies sich nur noch weiter intensivieren wird. Es liegt ja in unserer Hand als Menschheit, etwas zu ändern. Meine Hoffnung ist, dass der politische und gesellschaftliche Druck irgendwann so groß wird, dass wir keine andere Wahl haben, als unsere Gesellschaft zu ändern. Meine Hoffnung ist, dass es dann noch nicht zu spät ist.

Wie werden Sie persönlich aktiv, zu diesem Wandel beizutragen?
Als Wissenschaftlerin, die sich intensiv mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt und häufig international unterwegs ist, stehe ich oft vor der Herausforderung, mein Leben und meine Arbeit so zu gestalten, dass sie sowohl nachhaltig als auch sinnvoll bleiben. Zum Beispiel reise ich innerhalb von Europa möglichst nur mit dem Zug. Ich ernähre mich fast ausschließlich vegetarisch, und ich habe unseren Garten naturnah angelegt. Darüber hinaus engagiere ich mich zum Beispiel auch bei den Scientist for Future und als Co-Vorsitzende im Biodiversitätsnetzwerk Bonn Rhein-Sieg (BION). Allerdings sehe ich auch, dass es noch viele Möglichkeiten gibt, mein Engagement weiter zu erhöhen.

 


 

... zur Pressemitteilung der Uni:

www.uni-bonn.de (27.01.2025)

 


 

 

Lisa Biber-Freudenberger absolvierte nach einem Bachelor in Biologie an der Universität Osnabrück einen Master in Internationalem Naturschutz an der Universität Göttingen und der Lincoln University (Neuseeland). Nach ihrer Doktorarbeit an der Universität Potsdam arbeitete sie unter anderem in Eberswalde und Potsdam und kam 2012 ans Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Dort ist sie seit 2013 Senior Researcher und seit 2020 Junior-Professorin für Nachhaltige Entwicklung, Landnutzungssynergien und -konflikte. Die Wissenschaftlerin forscht zu den Wechselwirkungen zwischen Klimawandel, Biodiversität und menschlichem Wohlergehen.

 

Zum Bericht der Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES): https://zenodo.org/records/13850290

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